Fragen und Antworten
Mit den Untersuchungen wollen die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) und die Konferenz der Ordensgemeinschaften (KOVOS) eine wissenschaftliche und unabhängige Sicht auf die jüngere Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche Schweiz ermöglichen. Eine solche Untersuchung ist vor allem den Betroffenen geschuldet. In erster Linie ist die Kirche ihnen gegenüber verpflichtet, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und aus ihr zu lernen. Auch gegenüber der gesamten Gesellschaft stehen die kirchlichen Institutionen in der Pflicht, Transparenz zu schaffen und das Ausmass und die systemischen Ursachen des sexuellen Missbrauchs in den eigenen Reihen von unabhängiger Stelle untersuchen zu lassen. Dabei gilt es, die personellen und institutionellen Bedingungen und Zusammenhänge aufzudecken, die sexuellen Missbrauch in der Kirche ermöglicht oder gar begünstig haben, die Veranwortlichen zu benennen und nach Möglichkeit zur Rechenschaft zu ziehen.
Die kirchlichen Auftraggeberinnen haben mit der Projektleitung der Universität Zürich die Ziele des Pilotprojekts 2022/2023 und des aktuellen Folgeprojekts 2024–2026 definiert.
Darüber hinaus sind die kirchlichen Entscheidungsträger dafür verantwortlich, dass alle Menschen im Umfeld der Kirche in ihrer Würde und sexuellen Integrität geschützt werden und Übergriffe konsequent geahndet, den staatlichen Stellen zur Anzeige gebracht und nicht vertuscht werden.
Die Auftraggeberinnen sind überzeugt, dass der Stimme und den Erfahrungen von Opfern für die Aufarbeitung der Vergangenheit eine grosse Bedeutung zukommt. Auf welche Weise sie in das Forschungsprojekt einbezogen werden, liegt im Ermessen der Projektleitung. Das ist Teil der von den Auftraggeberinnen garantierten Unabhängigkeit der Untersuchung.
Im historischen Folgeprojekt 2024–2026 beziehen die Forschenden der Universität Zürich die Perspektive von Betroffenen und anderen Zeitzeuginnen und -zeugen verstärkt ein. Wer bereit ist, mit dem Forschungsteam über sexuellen Missbrauch und den Umgang der Kirche damit zu sprechen, kann über folgende Adressen Kontakt mit den Forschenden aufnehmen: forschung-missbrauch@hist.uzh.ch, recherche-abus@hist.uzh.ch oder ricerca-abusi@hist.uzh.ch.
In diesem Fall haben die Forschenden eine Anzeigepflicht gegenüber den staatlichen Behörden. Zudem können sie die zuständige kirchliche Instanz informieren, damit auch diese einschreiten und bei Bedarf Anzeige erstatten kann.
Die Massnahmen wurden im Herbst 2023 angekündigt mit der Absicht, die Themen gemeinsam mit kirchenexternen Fachpersonen anzugehen. Die dazu erforderlichen Projekte waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestartet. Im Rückblick müssen wir ehrlicherweise sagen, dass die Einschätzung, alle Massnahmen wären innerhalb rund eines Jahres entwickelt und umsetzungsreif, eher Wunschdenken als eine realistische Prognose war.
Der Aufwand und die benötigte Zeit liessen sich vor dem eigentlichen Entwicklungsstart ab Ende 2023 / Anfang 2024 kaum abschätzen. Zahlreiche Herausforderungen wurden und werden erst im Laufe des Prozesses sichtbar. Dass die Umsetzung gesamtschweizerischer Massnahmen eher Jahre als bloss Monate benötigt, ist nicht zuletzt den regional sehr unterschiedlichen, föderalistischen Kirchenstrukturen und ihren komplexen Entscheidungsabläufen geschuldet.
Die kirchenrechtlichen wie die staatskirchenrechtlichen Grundlagen gestehen den Bistümern und den kantonalkirchlichen Organisationen sowie den Ordensgemeinschaften einen hohen Grad an Autonomie zu. Gleichzeitig setzen sowohl das kirchliche Strafrecht als auch das staatliche Recht einen klaren Rahmen, in dem sie sich zu bewegen haben. SBK, RKZ und KOVOS leisten in diesem Kontext Überzeugungsarbeit und planen für die einzelnen Massnahmen ein Umsetzungsmonitoring.
Die Durchführung der Assessments soll gesamtschweizerisch oder sprachregional koordiniert werden. Welche Schlüsse in jedem Einzelfall aus den Ergebnissen des Assessments gezogen werden, lässt sich nicht überprüfen. Aber angesichts der Folgen einer bewussten Missachtung ist die Schwelle dafür hoch.
Es handelt sich nicht um eine parallele Justiz. Grundsätzlich haben die staatlichen Ermittlungsbehörden und das Schweizer Justizsystem für den Bereich der Gewalt- und Sexualdelikte stets Vorrang. Doch einerseits der Staat interessiert sich nicht für Verstösse gegen kirchenrechtliche Vorschriften Andererseits lösen die staatlichen Gerichtsinstanzen aus Sicht einer Institution allein nicht alle Probleme.
Nehmen wir an, ein Priester (oder eine andere/r kirchliche/r Angestellte/r) wird wegen Konsums kinderpornographischer Inhalte oder wegen versuchter Vergewaltigung rechtskräftig verurteilt. Soll er nach Bezahlen der Busse einfach weiter im kirchlichen Dienst bleiben oder nach der Haft weiter als Priester wirken dürfen? Diese Fragen muss die Kirche selbst klären. Sie tut dies unter anderem mit eigenen Straf- und Disziplinarverfahren.
Die vorbehaltlose Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden ist von der Kirche ebenso gefordert wie die konsequente Anwendung der eigenen Massnahmen und Instrumente zum Schutze aller.
Ja, insbesondere bei der Massnahme für eine professionelle Opferberatung, von der sie am direktesten betroffen sind, wurden sie sowohl von der Kirche als auch von der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) aktiv in die Entwicklung einbezogen.
Durch grundlegende strukturelle Veränderungen sowie durch geeignete und konsequent umgesetzte Präventionsmassnahmen. Dazu gehört eine professionelle Personalpolitik, in der das Wohl von vulnerablen Personen an oberster Stelle steht. Dies bedingt eine sehr sorgfältige Auswahl von kirchlichem Personal. Wer mit Minderjährigen und mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen zuverlässig arbeiten soll, muss nicht nur theologisch geschult sein, sondern auch die dafür erforderlichen menschlichen Qualitäten mitbringen. Dazu gehört ein reifer Umgang mit Sexualität. Es braucht flächendeckende, regelmässige und verbindliche Präventionsschulungen für alle Mitarbeitenden. Grenzverletzungen müssen konsequent sanktioniert, Sexualstraftaten strafrechtlich verfolgt werden.
Voraussetzung für all dies ist ein echter Kulturwandel in der Kirche, der auch den Umgang mit der menschlichen Sexualität betrifft. Der Schutz der Person muss in jedem Fall über dem Schutz der Institution stehen. Zudem gilt: Keine Massnahme der Welt kann einen hundertprozentigen Schutz vor Missbrauch bieten. Deshalb muss die Kirche auch einen angemessenen Umgang mit dem Versagen und der Schuld von Exponenten und Exponentinnen aus ihren Reihen finden.
Auf nationaler Ebene hat die drei Organisationen der katholischen Kirche in der Schweiz eine Reihe von Massnahmen angestossen, die zur konsequenten Bekämpfung von Missbrauch beitragen sollen.
Absolute Garantien und hundertprozentige Sicherheiten gibt es in einer solchen Thematik nicht. Es wäre vermessen, so etwas zu versprechen oder garantieren zu wollen. Es müssen alle zur Verfügung stehenden Präventionsmassnahemen ergriffen und implementiert werden, um Menschen bestmöglich zu schützen und Vertuschung maximal zu erschweren.